Verbände kritisieren Stagnation beim Klimaschutz im Verkehrssektor und plädieren für regulatorische Gleichstellung klimaneutraler gasförmiger Kraftstoffe

  • Durch Well-to-Wheel-Betrachtung können grüne Gase wie Biomethan und klimaneutraler Wasserstoff ihr Klimaschutzpotenzial ausspielen
  • Kehler: „Nur wenn wir die Emissionen nicht bloß am Auspuff messen, erhalten wir ein wahrheitsgetreues Abbild der Realität in Sachen Klimaschutz.“
  • Linke: „Grüne Verbrenner können einen erheblichen Beitrag zum Erreichen der nationalen und europäischen Klimaziele im Verkehrssektor leisten. Sie müssen jetzt eine Chance bekommen.“

Mit einem Ausstoß von knapp 166 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten bleibt der Verkehrssektor das Sorgenkind der Energiewende. Bei der Emissionsminderung tritt der Mobilitätssektor seit 1990 nahezu auf der Stelle. Gas-Technologien könnten bereits heute dazu beitragen, nicht nur CO2-, sondern auch Schadstoff- und Lärmemissionen zu reduzieren. Damit Gasantriebe ihr Potenzial auf Deutschlands und Europas Straßen entfalten können, bedarf es eines angemessenen regulatorischen Rahmens. Das betonen die Brancheninitiative Zukunft Gas und der Deutsche Verein das Gas- und Wasserfaches (DVGW) anlässlich des Symposiums Zukunft Gas-Mobilität und fordern eine Berücksichtigung gasförmiger Energieträger in der europäischen Erneuerbare-Energien Richtlinie RED II.

Obwohl sich Gasantriebe schon heute als praxistaugliche und reichweitenstarke Alternative bewähren, fehlt es noch immer an den regulatorischen Anreizen. So wird Biogas, mit dem Fahrzeughalter schon heute nahezu klimaneutral unterwegs sind, von der Europäischen Kommission in ihrer Renewable Energy Directive (RED II) nicht anerkannt. Während bei Elektrofahrzeugen generell ein CO2-Emissionswert von Null zugrunde gelegt wird, werden Antriebsalternativen wie Gasfahrzeuge im Rahmen der gegenwärtigen Methodik vernachlässigt.

„Wenn wir Klimaschutz nicht nur auf dem Papier, sondern auch auf der Straße erreichen wollen, dann führt an einer ‚Well-to-Wheel‘-Betrachtung kein Weg vorbei“, erläutert Dr. Timm Kehler, Vorstand der Brancheninitiative Zukunft Gas. „Wir dürfen die entstehenden Emissionen nicht nur am Auspuff messen, sondern müssen die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick nehmen. Nur durch eine solche Bilanz ergibt sich ein wahrheitsgetreues Abbild der Realität in Sachen Klimaschutz.“ Auch die aktuellen Gesetzgebungspläne, die Anrechenbarkeit erdgasbasierter Kraftstoffe auf die Treibhausgas-Quote abzuschaffen, sei ein falscher Schritt, so Kehler. „Dadurch wird die Chance vertan, kurz- und mittelfristige Treibhausgas-Minderungen durch einen Zuwachs von CNG- und LNG-Antrieben im Verkehrssektor zu erzielen.“

Besonders im Bereich des Schwerlastverkehrs könnte dadurch enormes Klimaschutzpotenzial gehoben werden. Insbesondere bei Logistikern sind Gasfahrzeuge zunehmend beliebt, wie Zahlen des Kraftfahrt-Bundeamtes zeigen. So wurden im Jahr 2020 etwa 90 Prozent mehr mit Gas betriebene Zugmaschinen zugelassen als noch im Vorjahr. Auch die Nachfrage bei den Gas-LKW über 12 Tonnen wuchs im vergangenen Jahr gegenüber 2019 um mehr als 50 Prozent. Neben den niedrigeren CO2- und Schadstoffemissionen weisen Gas-LKW gegenüber ihren Dieselpendants 50 Prozent geringere Lärmemissionen auf. Damit eignen sich die Fahrzeuge auch für nächtliche innerstädtische Warenlieferungen. Dank Biogas, das mittlerweile an jeder zweiten deutschen Erdgas-Tankstelle verfügbar ist, können diese sogar nahezu klimaneutral erfolgen.

Prof. Dr. Linke betont: „Mit Biomethan und wasserstoffbasierten synthetischen Kraftstoffe sind Quick Wins beim Klimaschutz im Schwerlastverkehr zu erzielen. Gerade auf Langstrecken, die kaum elektrifiziert werden können, sind sie eine ideale Ergänzung zu mit Strom betriebenen Brennstoffzellen und Elektrofahrzeugen.“ Studien belegen ein beträchtliches Mengenpotenzial nachhaltigen Biomethans in Deutschland – mehr als 100 Terawattstunden pro Jahr. Damit könnten zwölf Millionen Mittelklasseautos betrieben werden. „Bislang aber fehlen der politische Wille und wirksame Anreizsysteme, dieses Potenzial für den Verkehrssektor zu heben. Flotten- und Infrastrukturbetreiber benötigen jetzt rechtliche Rahmenbedingungen wie Marktanreizprogramme und gesetzlich verankerte Zielvorgaben, damit klimaneutrale Gasantriebe auf die Schnellspur gelangen.“

Vor wenigen Tagen kritisierten über 60 Wissenschaftler in einem offenen Brief an die Bundesregierung eine einseitige Konzentration auf E-Mobilität kritisiert und forderten mehr Technologieoffenheit. Dieses Anliegen unterstützt auch Zukunft Gas-Vorstand Kehler: „Das Klimaschutzpotenzial sollte genutzt werden, das Fahrzeuge bieten, die mit grünen Gasen wie Biogas und synthetisch erzeugtem Erdgas, also sogenannten E-Fuels, fahren.“ In ihrem Brief fordern die Wissenschaftler eine sachgerechte Diskussion; DVGW und Zukunft Gas wollen diese Diskussion konstruktiv begleiten.

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