Wasser
25. August 2025
Sulfamidsäure (chemische Formel H2NSO3H) ist eine starke anorganische Säure. Sie wird u.a. aufgrund ihrer guten Entkalkungswirkung vielfältig eingesetzt, insbesondere in Reinigungsmitteln im Haushalt, aber auch zum Beispiel für die Reinigung von Klimaanlagen oder als Zusatz in Flammschutzmitteln. Auch in der Industrie findet sie Verwendung.
Sulfamidsäure hat eine hohe Wasserlöslichkeit, ist sehr mobil und haftet schlecht an Partikeln (geringe Sorption). Das hat Folgen sowohl für unsere Wasserqualität als auch für die Gesundheit von Wasserorganismen.
Der Reiniger gelangt über das Abwasser zunächst in unsere Kläranlagen. Doch dort gibt es trotz ihrer aufwändigen Verfahren wie Ozonung und Aktivkohlefiltration kaum Möglichkeiten, die Säure aus dem Abwasser zu eliminieren. Deshalb gelangt der Stoff unverändert in die Gewässer und auch irgendwann ins Grundwasser, die wichtigste Ressource für unser Trinkwasser. Dann stehen die Wasserwerke bei der Aufbereitung des Wassers zu Trinkwasser vor demselben Problem wie die Kläranlagen: Sulfamidsäure können sie nicht aus dem Trinkwasser eliminieren. Noch ist das für den Menschen kein Problem, weil die Konzentration im Wasser sehr gering ist.
Aber Sulfamidsäure ist in der Umwelt persistent, das heißt, sie ist auf natürlichem Weg schwer abbaubar und reichert sich dort mit der Zeit an.
Nach heutigem Wissenstand ist Sulfamidsäure für den Menschen nicht gesundheitsschädlich, kann allerdings in höheren Konzentrationen Augen und Schleimhäute reizen. Die schädigenden Effekte auf Algen, Wasserflöhe und Fische treten in den Labor-Standardtests bei Konzentrationen auf, die in der Umwelt zum jetzigen Zeitpunkt nicht erreicht werden. Das ist dennoch kein Grund zur Entwarnung. Andere Arten könnten empfindlicher auf die Säure reagieren, also schon bei niedrigeren Konzentrationen. Und bereits jetzt findet sich Sulfamidsäure im Vergleich zu anderen Spurenstoffen in sehr hohen Konzentrationen in der Umwelt. Die Gefahr einer potenziellen Beeinträchtigung bzw. Schädigung von Wasserorganismen in freier Natur ist somit durchaus vorhanden.
Dazu sagt die Ökotoxikologin Maximiliane Montag vom Spurenstoffzentrum des Bundes am Umweltbundesamt Dessau: „Das Problem für die Natur ist die Stabilität von Sulfamidsäure und ihre Mobilität. Die Säure hat das Potential, sich in Gewässern über große Distanzen auszubreiten bis hin in das Trinkwasser. Der Stoff kann sich somit im Wasserkreislauf anreichern. Die Eigenschaften der Sulfamidsäure haben die EU dazu veranlasst, die Chemikalie als chronisch wassergefährdend nach der CLP-Verordnung einzustufen. Deshalb und auch zum Schutz von Trinkwasserressourcen sollte der Eintrag in das Oberflächengewässer vorsorglich so gering wie möglich gehalten werden."
Das bekräftigt auch Dr. Karsten Nödler vom Forschungsinstitut TZW (DVGW-Technologiezentrum Wasser) in Karlsruhe, der sich mit den Auswirkungen von Arzneimitteln und Spurenstoffen auf unser Trinkwasser beschäftigt: „Unsere Leitplanken sollten das Vorsorgeprinzip und das Minimierungsgebot sein.” Und verweist auf die mittlerweile vielen Reiniger, die ähnliche Ergebnisse erzielen wie sulfamidsäurehaltige, aber deutlich umweltschonender sind. Sie beinhalten biologisch abbaubare organische Säuren wie Milch-, Äpfel-, Ameisen-, Essig- oder Zitronensäure. Diese natürlichen Säuren können zudem bei der Abwasserreinigung gut entfernt werden.
Wer wissen möchte, ob der Reiniger seines Vertrauens Sulfamidsäure enthält, muss im Internet die Datenblätter mit den Inhaltsstoffen suchen, denn auf der Packung selbst muss die Säure nicht besonders aufgeführt werden. Oder man geht auf die Webseite der Verbraucherzentrale NRW: Unter dem Titel „Umweltbewusst entkalken” finden Sie eine Liste von Entkalkungsmitteln mit ihren Inhaltsstoffen und viele weitere Tipps für ein naturschonendes Reinigen von Kaffeemaschine und Co.
Wenn Sie ein neues Gerät kaufen möchten, erkundigen Sie sich beim Hersteller nach Pflegetipps. Stiftung Warentest hat z. B. die Hersteller von Kaffeevollautomaten gefragt, welche Entkalker sie für ihre Maschinen empfehlen, und die Liste der Inhaltsstoffe dieser Entkalker untersucht. Das Ergebnis ist nachzulesen unter „Kaffeevollautomaten - so entkalken Sie umweltfreundlich”. Fazit: Nicht alle Maschinen müssen mit sulfamidsäurehaltigen Reinigern entkalkt werden.
Nutzen Sie deshalb lieber Entkalker auf Basis biologisch abbaubarer organischer Säuren wie Milch-, Äpfel-, Ameisen-, Essig- oder Zitronensäure. So wird den Kalkflecken der Garaus gemacht - nicht der Natur!