18. Juni 2025
Eine Stunde lang stand DVGW-Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Gerald Linke Rede und Antwort zu Fragen rund um Wasserstoff in "The Hydrogen Bar", einem Podcast von Martin Sekura und Johannes Rößner. Linke wies auf die Bedeutung von Technologieoffenheit für die Energiewende in Deutschland hin und warnte vor einem Gegeneinander-Ausspielen von erneuerbaren Gasen und Strom. Er sieht die beiden Energieträger auf Augenhöhe, zumal auch für die Stromerzeugung und -speicherung Wasserstoff eine wichtige Rolle spielt. "Ideologisch für das eine oder das andere zu kämpfen, macht im Sinne des Klimaschutzes keinen Sinn." Zudem werde Wasserstoff zunehmend auch für die Stromerzeugung wichtig, was in den anvisierten H2-readiness-Auflagen für neue Gaskraftwerke zu Ausdruck käme und die richtigen Signale setze.
Zugleich bekräftigte der DVGW-CEO den Willen der Branche zur Dekarbonisierung der Energieversorgung und verwies auch auf den Zuwachs an Biomethananlagen und die konkreten Investitionen in eine Wasserstoffwirtschaft – allen voran in das Wasserstoff-Kernnetz. Mittlerweile seien auch Skeptiker überzeugt, dass die Gaswirtschaft es ernst meine mit der Energiewende, betont Linke.
Kritisch, aber auch zustimmend ordnete der DVGW-Vorstandsvorsitzende die politischen Begleitumstände während der Zeit der Ampel-Koalition und der neuen Bundesregierung ein. Er habe den Eindruck, die Politik verstehe, dass eine Transformation nicht "von heute auf morgen" entstehen kann. Es gehe um CO2-Einsparung, und jede Methode, dort hinzukommen, sei willkommen und dürfe nicht ideologisch begründet ausgeschlossen werden, weil nur das Gesamtergebnis zähle.
Als problematisch sieht Linke den Delegated Act der EU an, der mit der Vorgabe von Schwellenwerten die Entfaltung einer klimafreundlichen Energieversorgung massiv behindere. Konkret erwähnte er dabei die Nutzung von sog. blauem Wasserstoff als Enabler der Hochlaufphase und als die Übergangslösung hin zu grünem Wasserstoff. "Evolution statt Revolution", nannte Linke dazu als Stichwort. Schon jetzt sei die Einsparung von CO2 durch den Einsatz von Gaskraftwerken gegenüber Kohlekraftwerken signifikant und mit Wasserstoffzumischung steigerbar, aber vor allem auch zeitlich steuerbar. Wichtig sei dabei, das Gebot der Resilienz unserer Versorgung strenger als bisher zu beachten und sektorenübergreifend eine optimierte Energieversorgung anzustreben.
Gerald Linke ging auch auf die Frage ein, ob Deutschland sich in Zeiten der Wirtschaftskrise den Luxus einer Umstellung von Gas auf Wasserstoff überhaupt leisten könne. Gerade weil das Land in einer wirtschaftlichen Krise stecke, müssen wir den Umstieg vornehmen, aber mit dem richtigen Tempo und in einer Reihenfolge, die nicht – wie auf der Stromseite mit einem Missmatch aus Erzeugung und Netzausbau – zu Friktion und vor allem erhöhten Kosten führe. Mit niedrigen Energiekosten können die großen Wirtschaftszweige wie Anlagenbau im Land gehalten werden. Zudem habe Deutschland die Innovationen - Stichwort: Carbon Management - und die Kompetenz dafür, sie erfolgreich einzusetzen. Diesen Vorteil sollten wir nicht aus der Hand geben. Und schließlich sieht Linke in den erneuerbaren Gasen wie Wasserstroff oder Biomethan auch eine Möglichkeit, die Energieversorgung des Landes und Europas unabhängiger von den großen Weltmächten zu machen. „Resilienz first“ muss die überholte Maxime „Efficiency first“ ablösen.
Dennoch: Die Ausgabenseite muss berücksichtigt werden, aber anders, als das bislang der Fall war. Beim Energiewirtschaftlichen Dreieck von Versorgungssicherheit - Nachhaltigkeit - Bezahlbarkeit wurde bislang der Schwerpunkt auf die Nachhaltigkeit gelegt. Der Gleichklang müsse wieder hergestellt werden, was Linke am Beispiel des Wärmemarktes näher ausführte: Klimafreundliche Wärmeversorgung kann nur dann schnell und umfassend erreicht werden, wenn es den einzelnen Personen überlassen bleibt, in welchem Tempo und in wie rascher Aufeinanderfolge sie Maßnahmen zur CO2-Einsparung umsetzt. Die Politik solle statt Schwellenwerten, die übersprungen werden müssen, eher Pfade angeben, wie das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 erreicht werden kann.
Das komplette Gespräch mit Gerald Linke kann über die Webseite des Podcasts “The Hydrogen bar” oder via Spotify abgerufen werden. Teil 1 erschien am 11.6., Teil 2 am 18.6.