29. Oktober 2025
Zum am 27.10. veröffentlichten Sonderbericht des Bundesrechnungshofes zur Wasserstoffstrategie des Bundes sagt Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.:
„Die Einschätzung des Bundesrechnungshofes, wonach die Bundesregierung ihre Wasserstoffstrategie überarbeiten muss, ist richtig. Der Sonderbericht ist ein Weckruf und legt den Finger in die Wunde: Der Bundesregierung fehlt es an Konsequenz, Mut und einer wirksamen Strategie, die den Wasserstoffhochlauf auch wirklich ermöglicht. Bisherige Anstrengungen haben nicht zum geplanten Ergebnis geführt. Nur mit Wasserstoff und der Deckung des Energiebedarfs durch Moleküle wird es eine Energiewende und damit auch Klimaneutralität geben. Insofern teilen wir die Einschätzung des Bundesrechnungshofes, dass das Erreichen der Klimaneutralität bis 2045 und die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland gefährdet sind. Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft ist kein Selbstzweck. Wasserstoff ist als klimaneutraler Energieträger in einigen Anwendungsbereichen, etwa der Primärstahlerzeugung, unverzichtbar. Wenn die Energiewende gelingen soll, dann muss Wasserstoff zur Anwendung kommen. Es gibt technologisch in absehbarer Zeit keine Alternative.“
Der DVGW stimmt der Analyse zu, wonach die Maßnahmen zum Markthochlauf nicht ausreichen, um das Ziel von mindestens 10 Gigawatt (GW) installierter Leistung an Elektrolyse-Kapazitäten bis 2030 zu erreichen. Es braucht weitere Maßnahmen, um den Hochlauf zu unterstützen. Dabei müssen bürokratische Vorgaben auf nationaler und europäischer Ebene reduziert und Regelungslücken geschlossen werden. Obwohl der Rechtsrahmen derzeit noch im Aufbau ist, sieht sich die Wasserstoffwirtschaft bereits jetzt in vielen Bereichen mit Überregulierung konfrontiert. Hier sind vor allem die Delegierten Rechtsakte zu Wasserstoff zu nennen.
Beim Regelungsbedarf ist es hingegen die nötige Umsetzung der Gas-/H2-Richtlinie in nationales Recht, die fehlt. Eine Anpassung der Regulatorik verbunden mit einer seriellen Produktion von Elektrolyseuren führt nach Auffassung des DVGW zu einer Kostenreduktion bei der Erzeugung. Der Aufbau des Kernnetzes bis zum Jahr 2032 ist, anders als vom Bundesrechnungshof kritisiert, hingegen richtig. Die Wasserstoffinfrastruktur darf nicht zum Hemmnis für den Hochlauf werden. Sie ist Voraussetzung, um Erzeuger und Verbraucher miteinander zu verbinden. Eine Anpassung der Regelungen zum Wasserstoff-Kernnetz, das erst Ende 2024 genehmigt wurde, würde ein fatales Signal an Investoren und Unternehmen senden.
Der Rechnungshof stellt richtig heraus, dass es für Gaskraftwerke eine Perspektive mit Wasserstoff geben muss. Diese bilden einen wichtigen Anwendungsbereich von Wasserstoff und tragen zum Aufbau der Wasserstoffwirtschaft bei. Der Wasserstoffhochlauf muss jedoch besser vorbereitet werden. Insbesondere sind die Hochlaufkosten in der Anfangsphase zu dämpfen. Hierbei kommt vor allem kohlenstoffarmem blauem und türkisem Wasserstoff eine wichtige Rolle zu. Auch bei Importen müssen wir diese Formen der Wasserstofferzeugung einbeziehen. Temporär wird jedoch auch der Einsatz von Erdgas anstelle von Kohle nötig sein. Der Bau zusätzlicher Gaskraftwerke ist als tragfähiges Konzept im Koalitionsvertrag beschlossen. Nur aus dem Gasnetz heraus ist der Shift von Erdgas zu Wasserstoff möglich.
Weltweit wird vor allem durch den Einsatz von Erdgas statt Kohle und Öl dekarbonisiert. Im Gegensatz zu anderen Ländern hat Deutschland in der Vergangenheit Erdgas mit Öl und Kohle gleichgesetzt und alles als fossil etikettiert. Andere Länder dagegen sehen Erneuerbare Energien und Erdgas als Zukunftsenergien an, da diese den deutlich niedrigeren CO2-Footprint haben.
„Es ist die Aufgabe der Politik, endlich die im Grundsatz richtige Transformationsplanung an die realen Erfordernisse und Interessen von Industrie, Mittelstand und Privatverbrauchern anzupassen und sich an den wirtschaftlichen Realitäten zu orientieren. Ein starker und zukunftsfähiger Industriestandort, einhergehend mit Wohlstand in unserem Land, sind Voraussetzungen für die Transformation. Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag klar zu Wasserstoff bekannt. Das gilt. Ein Abgesang auf Wasserstoff wäre nicht zielführend. Deutschland und die Europäische Union täten gut daran, sich den internationalen Realitäten zu stellen, regulatorische Hemmnisse abzubauen und sich bei der Transformation der internationalen Schrittgeschwindigkeit anzupassen, um nicht vollständig den Anschluss zu verpassen und infolgedessen wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftliche Stabilität zu gefährden“, so der DVGW-Chef in seinem Fazit.