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Nutzungsmöglichkeiten von Microsoft Azure in der Wasserversorgung

Beispiel von GELSENWASSER

Heutige Cloud-Computing-Dienste stellen grundlegende Computer-, Speicher- und Netzwerkressourcen bedarfsgerecht und mit nutzungsbasierter Bezahlung zur Verfügung. Bekannte Beispiele sind „Infrastructure as a Service“ (IaaS), „Platform as a Service“ (PaaS) und „Software as a Service“ (SaaS). Cloud-Technologien bieten daher grundsätzlich ein großes Potential, um Aufgaben effizient und zielgerichtet zu lösen und damit Personal- und insbesondere IT-Kosten in einem Unternehmen zu reduzieren. Der Nutzen dieser Technologien für die Unternehmen hängt aber auch davon ab, wie gut diese Dienste in die vorhandene IT-Infrastruktur und in den Arbeitsalltag von möglichst vielen Mitarbeitern integriert werden können. Einerseits ermöglichen Cloud-Dienste heute auch komplexe und sehr datenintensive Auswertungen mit akzeptablem Arbeitsaufwand zu lösen. Anderseits bieten sie bei einer leichten Zugänglichkeit jedoch auch ein großes Potential, viele kleine Optimierungen mit einem „großen Wirkungsgrad“ im Unternehmensalltag zu etablieren und so in Summe zu einer deutlichen Effizienzsteigerung beizutragen. 

Im Folgenden wird dargestellt, in welchen Schritten und für welche Aufgaben bei GELSENWASSER die Abteilung Netzberechnung und -datenmanagement die Möglichkeiten der Microsoft Azure-Clouddienste seit 2021 nutzt. 

Zunächst wurde ein leistungsstarker virtueller Computer auf den Azure-Cloud-Servern eingerichtet, um umfangreiche, automatische Batchberechnungen anforderungsgerecht und unabhängig vom Tagesgeschäft durchführen zu können. Bei automatisierten Ausfall- und Löschwasserberechnungen werden beispielsweise für das Gelsenwasser-Verbundnetz für mehr als 125.000 Leitungsabschnitte und ca. 35.000 Hydranten-Standorte nacheinander identische Einzelberechnungen je Rohrleitungsabschnitt bzw. je Hydranten durchgeführt. Da diese Berechnungen parallel auf einzelnen Rechenkernen durchgeführt werden und eine nahezu lineare Skalierbarkeit besteht, wurde der sehr weitreichend frei konfigurierbare virtuelle Computer den Anforderungen entsprechend mit 64 Rechenkernen und 128 GB RAM ausgestattet. 

Dadurch konnte erreicht werden, dass die Berechnungszeit von bis zu 2 Wochen auf 1,5 bis 2 Tage verkürzt werden konnte. Eine Berechnung im Hintergrund während der Arbeitszeit allokiert die Rechenleistung der lokalen Computer so stark, dass ein normales Arbeiten praktisch unmöglich ist. Daher musste die Berechnung aufgeteilt werden, um über Nacht jeweils neue Teilberechnung durchzuführen, so dass sich die Gesamtdauer der Berechnung weiter verlängerte. 

Vorteilhaft an der AZURE-Server-Lösung ist zudem, dass die Rechenleistung nur für die Nutzungszeit bezahlt werden muss. Bei der alternativen Einrichtung eines Hardware-Servers fallen neben den anfänglichen Investitionskosten für die Hardware zusätzlich noch Kosten für den Serverbetrieb an, die unabhängig von der Inanspruchnahme des Servers sind. 

Mittlerweile steht ein zweiter virtueller Server zur Verfügung, der für komplexe Einzelberechnungen optimiert wurde. Er hat nur acht, aber sehr leistungsstarke Rechenkerne und 56 GB RAM. Mit diesem Server werden komplexe Tagessimulationen wie z. B. der Ausfall von Wasserwerken berechnet. Hierbei werden in einem Simulationslauf nicht nur die Auswirkungen des Ausfalls analysiert, sondern es werden auch alle direkt anschließenden betrieblich Abhilfenahmen gemäß Risiko- und Notfallmanagement mit z. T. mehr als 100 Netzschaltungen in einer 2-Tagessimulation abgebildet. Auch hier konnten zu einem noch einmal geringeren Kostenaufwand die Rechenzeiten und die Integrierbarkeit dieser Simulationen in das Tagesgeschäft deutlich verbessert werden. 

Aktuell testet GELSENWASSER mit Unterstützung von Microsoft, ob es möglich ist, mit Hilfe der standardisierten Machine Learning (ML) Tools von AZURE die langfristige Entwicklung des Wasserbedarfs unter Berücksichtigung unterschiedlicher Klima- und Wetterszenarien hinreichend genau abzuschätzen. Die grundsätzliche Eignung von ML-Tools für diese Aufgabe wurde bereits in verschiedenen Projekten erfolgreich nachgewiesen, u. a. in einem DVGW-Forschungsprojekt. Allerdings wurde in allen Fällen ein speziell von einem Data Scientisten angepasstes Modell verwendet. Die Idee des Pilotprojekts ist es jetzt, eine hinreichend genaue Vorhersage mit dem standardisierten AZURE-Tool AutoML zu erzielen. Im Erfolgsfall hätte das gleich mehrere Vorteile. 

Die Lösung dieser und gleichartiger Aufgaben kann viel einfacher erreicht werden, da kein Dienstleister für die Nutzung der Machine Learning Tools eingebunden und umfassend in die Fragestellung eingeführt werden muss. Der Mitarbeiter, der die Wirkzusammenhänge detailliert kennt, lässt in AutoML automatisiert alle frei verfügbaren, etablierten ML-Algorithmen ohne zusätzliche Manipulationen durchrechnen und entscheidet anschließend auf Basis der modellspezifisch resultierenden Prognosegüte, welcher der Standard-Algorithmen für die Aufgabenstellung (am besten) geeignet ist. 

Das gewonnene Know-how bleibt bei im Haus und kann in anderen ähnlichen Fragestellungen leicht adaptiert angewendet werden. Hierdurch wird die Wertschöpfung und der Wirkungsgrad dieser Anwendung deutlich erhöht und die Kosten nicht nur für die jeweilige Aufgabenstellung, sondern grundsätzlich minimiert. Zudem ist die Integration in die bei GELSENWASSER eingeführte AZURE- und Office365-Infrastruktur bestmöglich. Projekte können beispielsweise direkt aus PowerBI gestartet, visualisiert und veröffentlicht werden. 

Um den Aufwand für die Datenverarbeitung weiter zu minimieren, wird aktuell eine weitere AZURE-Anwendung, die sogenannte Data Factory, angebunden. Diese Anwendung erlaubt es, Datenabfragen und -transformationen automatisiert im Hintergrund ablaufen zu lassen. Für das Pilotprojekt können hiermit konkret z. B. Wetterdaten des DWD vom Webserver zu festgelegten Zeitpunkten (z. B. einmal täglich) abgefragt und für die konkrete Nutzung in der o. g. Langfrist-Wasserbedarfsprognose aufbereitet werden. Auch hier ist der Nutzen nicht auf die eine Anwendung beschränkt, sondern kann in gleicher Weise, aber auch entsprechend erweitert, für andere Anwendungen bei GELSENWASSER genutzt werden. 

Auch wenn sicherlich AZURE-AutoML nicht für jede Aufgabenstellung geeignet sein wird, zeigen bereits die ersten Ergebnisse, dass mit der AZURE-Funktionalität des Machine Learning viele Fragestellungen ohne Hinzuziehen von externen Datenexperten hinreichend gut beantwortet werden können. Insgesamt zeigt schon das bis dato Erreichte, dass die AZURE-Plattform ein großes Potential hat, um im Datenumfeld viele Aufgaben im eigenen Unternehmen auf Basis von etablierten Standardanwendungen einfach und schnell lösen zu können.