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Grundwasserbrunnen

Smartes Brunnenbetriebsmanagement

Erfahrungsbericht zu einem Digitalisierungsprojekt von HAMBURG WASSER

Grundwasserbrunnen; © AdobeStock.com/thomas haltinner

Das (Pilot-) Projekt am Wasserwerksstandort Großensee (nordöstlich von Hamburg) zielt auf eine KI-unterstützte Auswahl der Förderbrunnen ab und berücksichtigt dabei u.a. chemische Parameter des Rohwassers, Energiedaten der Förderpumpen, Vorgaben zur Betriebszeit und Abhängigkeiten zwischen den Brunnen.

Anlass

Die Brunnensteuerung ist je nach Wasserwerk mehr oder weniger komplex. Teilweise gibt es mehrere Brunnenfassungen, die Pumpen in den Brunnen müssen regelmäßig laufen, aber nicht jedes Wasser lässt sich chemisch mit dem Wasser bestimmter anderer Brunnen mischen. Die Entnahme muss zum Wasserrecht passen und zur Entnahme aus dem Netz. Hinzu kommen Randbedingungen wie Salzfronten, die durch eine Begrenzung der Förderung in einzelnen Fassungen an einer Mobilisierung gehindert werden müssen, oder die Berücksichtigung der Pegelstände in den Messstellen.

Herausforderungen

Die komplexe Gemengelage ist für erfahrene Wassermeister, die seit Jahrzehnten dabei sind, in der Regel gut zu beherrschen. Nun steht HAMBURG WASSER aber vor einem Generationswechsel größeren Ausmaßes und das Wissen kann verloren gehen. Wie sichern wir diesen Erfahrungsschatz und wie lösen wir zusätzlich die zunehmenden Anforderungen an eine energiearme Wasserförderung im Sinne des Umweltschutzes und Effizienzanforderungen?

IST-Zustand

Das Pilotwerk ist ein Grundlastwerk und fördert überwiegend Trinkwasser in das Verbundnetz sowie zu einem geringeren Anteil als alleiniges Werk in eine separate Versorgungszone. Das Werk verfügt über eine Rohwasserfassung mit insgesamt zehn Brunnen, die aktuell in verschiedenen Kombinationen gefahren werden können. Die Gesamtfördermenge der Brunnen orientiert sich an der Reinwasserabgabemenge. Der Reinwasserbehälter wird in der Regel auf einem gleichbleibenden Niveau gehalten. 

Von den zehn zur Verfügung stehenden Brunnen, werden im Normalbetrieb maximal fünf parallel betrieben, von denen zwei Brunnen in der Grundlast sind und die verbleibenden als zusätzliche Regel- bzw. Ergänzungsbrunnen zur Verfügung stehen. Drei der insgesamt zehn Brunnen werden auf Grund der im jeweiligen Rohwasser vorhandenen Huminstoffe nicht parallel betrieben und werden daher abwechselnd als Grundlastbrunnen eingesetzt. Der Wechsel erfolgt monatsweise. 

In der vorhandenen Steuerung zur Brunnenauswahl ist hinterlegt, dass die Grundlastbrunnen bis zum Behälterstand maxmax betrieben werden und dann automatisch abschalten. Fällt der Behälterfüllstand bei gleichzeitigem Betrieb der beiden Grundlastbrunnen, dann werden nacheinander die Regelbrunnen hinzugeschaltet. Die Einschaltpunkte der Brunnen sind an Hand von vorgegebenen Höhenstandsabweichungen in Kombination mit der Zeit definiert. Die Ausschaltung der Brunnen erfolgt umgekehrt. Die Reihenfolge der Regelbrunnen wird analog zur Festlegung der Grundlastbrunnen monatlich durch einen Mitarbeiter geändert. Hierbei wird insbesondere darauf geachtet, dass die jährlichen Laufzeiten der Brunnen annähernd gleich sind.
Zusammenfassend betrachtet, erfolgt die Auswahl der Brunnen im Pilotwerk an Hand folgender Kriterien: 

  • Qualität des Reinwassers (Wahl der Grundlastbrunnen)
  • Betriebsstunden über das Jahr (Wahl der Regelbrunnen)
  • Konstanter Behälterfüllstand
  • Abgabemenge
  • Komplette Durchströmung der Transportleitung (Vermeiden von Stagnationsstrecken)
  • Einhaltung des Wasserrechts

SOLL-Zustand

Die Auswahl der Grundlast- und Regelbrunnen erfolgt durch die Werksmitarbeiter anhand der Software-Empfehlung. Neben den bereits heute gültigen Kriterien Qualität, Betriebsstunden, konstanter Behälterfüllstand, Hydraulik und Wasserrecht. Zur Steigerung der Effizienz sind die Fördermengen und Drücke sowie die Leistungs- und Stromaufnahmedaten auszuwerten und zu verarbeiten. Die Software des Brunnenbetriebsmanagements soll auf Basis aller Kriterien und noch festzulegender Prioritäten zukünftig die optimale Fahrweise der Brunnen vorschlagen. 

Ziel

Softwarebasierte wasserwirtschaftliche und energetische Optimierung für eine nachhaltigen Brunnenfahrweise. Es soll eine leistungsstarke Plattform mit hoher Aktualität geschaffen werden, die sich nahtlos in das HAMBURG WASSER Systemumfeld einfügt und alle benötigten Prozesse und Daten zur Brunnensteuerung einschließt und auf geänderte Betriebszustände möglichst selbstlernend reagiert. Folgende maßgebliche Aufgaben sind dafür erforderlich:

  • Analyse relevanter historischer Datensammlungen
  • Modellierung eines digitalen Zwillings mithilfe künstlicher neuronaler Netze auf Basis der Datensammlungen
  • Serviceorientierte Integration des Modells in die Systemlandschaft von HAMBURG WASSER zur operativen Nutzung aktueller Daten
  • Online-Validierung des Optimierungssystems     
  • Darstellung der Vorschläge des genetischen Optimierers in einer den Werksmitarbeitern bekannten Anwendung
  • Selbständige Optimierung durch die Verarbeitung neu hinzugewonnener operativer Daten („selbstlernendes System“)
  • Eine skalierbare Lösung, die ebenso für andere ähnliche Problemstellungen verwendbar ist und auf die Gegebenheiten in anderen Werken angepasst werden kann

Es werden somit Erfahrungen mit Industrie-4.0-Themen bzw. mit selbstlernenden Systemen vorausgesetzt. Eine Ansteuerung von Aktoren in der Installation in den Werken ist für diese Ausschreibung nicht vorgesehen. Es wird ein Vorschlag zur Fahrweise erwartet, der vom Bedienpersonal bewertet und umgesetzt wird und deren Rückmeldungen in dem zukünftigen Vorschlagswerten Eingang finden.

Stand des Projektes

Das Optimierungssystem wurde im Sommer 2022 durch das Werkspersonal in Betrieb genommen. Anschließend erfolgte noch eine Online-Validierung des Systems.

Erfahrungen im Projekt

Der Austausch von Organisationseinheiten aus verschiedenen Bereichen, die bisher keinen einheitlichen vollumfänglichen Zugriff auf alle beteiligten Daten hatten, hat zu einer besseren Zusammenarbeit geführt. Die Datensilos wurden zusammengeführt und es sind neue Erkenntnisse durch die Verschneidung dieser Daten möglich. 

Eine große Herausforderung stellte die sichere Bereitstellung aller historischen und aktuellen Werte an Externe dar. Hier sind die Zugriffsrechte und die Kommunikation unter der Berücksichtigung der KRITIS-Rahmenbedingungen zu regeln und zu klären.

Ebenso musste festgestellt werden, dass die Datenerfassung in geringen Abständen (max. 1d) erfolgen muss, damit die KI sinnvoll prognostizieren kann. Die Änderungen des Grundwasserstandes in Messstellen wird in größeren zeitlichen Abständen nur punktuell ermittelt und stellt somit keine geeignete Basis für eine KI-basierte Brunnenfahrweise dar. Ursprünglich war geplant, eine KI-basierte Entscheidungsunterstützung herbeizuführen, um nach einer längeren Testphase auch in eine Automation des Gesamtsystems übergehen zu können. Jetzt konzentriert sich die Lösung vorerst auf einen besseren Überblick über alle Eingangs- und Ausgangsparameter und eine bessere Entscheidungsbasis. Eine Automation ist derzeit in diesem Kontext noch nicht absehbar.