Wasser
05. November 2025
Berlin – die pulsierende Metropole an der Spree mit über 3,8 Millionen Einwohnern – benötigt täglich Hunderttausende Kubikmeter sauberes Trinkwasser. Hinter jedem Glas Trinkwasser steckt ein komplexes System aus Brunnen, Wasserwerken und Leitungen – betrieben von den Berliner Wasserbetrieben. Täglich sorgen sie dafür, dass die Hauptstadt nicht auf dem Trockenen sitzt. Aber wie gelingt es, eine so große Stadt zuverlässig mit Wasser zu versorgen? Und welche Strategien braucht Berlin, um auch in Zukunft sicher und nachhaltig mit der Ressource Nummer Eins umzugehen? Wir haben mit den Berliner Wasserbetrieben darüber gesprochen, was unternommen wird, damit das Wasser auch zukünftig zuverlässig aus dem Hahn fließt.
Berlin bezieht sein Trinkwasser fast ausschließlich aus Grundwasser, das durch Uferfiltration aus Flüssen wie Spree, Havel und Dahme angereichert wird. Rund 650 Tiefbrunnen fördern das Wasser aus Tiefen zwischen 30 und 140 Metern. Dieses Wasser bildet sich über Jahrtausende hinweg aus Niederschlägen und Oberflächenwasser, das durch verschiedene Bodenschichten sickert und dabei natürlich gereinigt wird.
Zum Schutz dieser kostbaren Ressource im Untergrund ist etwa ein Viertel der Stadtfläche als Wasserschutzgebiet ausgewiesen. Die Schutzgebiete sind in drei Zonen unterteilt – je näher am Brunnen, desto strenger die Vorschriften. Das aus diesen Gebieten geförderte Wasser wird anschließend in neun Wasserwerken aufbereitet und in Reinwasserbehältern gespeichert. Über ein 7.800 Kilometer langes Leitungsnetz wird das Trinkwasser dann zu Haushalten, Industrie- und Gewerbetrieben in gesamten Stadtgebiet von Berlin transportiert. Täglich werden rund 546.000 Kubikmeter Trinkwasser bereitgestellt – bei Bedarf kann die Kapazität sogar auf bis zu 1,1 Millionen Kubikmeter erhöht werden.
Nach Gebrauch gelangt das Wasser über ein 9.700 Kilometer langes Kanalnetz zu Pumpwerken und gelangt in sechs Klärwerke. Dort wird es in mehreren Reinigungsstufen (mechanisch, biologisch, chemisch) aufbereitet, bevor es wieder in Flüsse und Seen eingeleitet wird – und sich der Wasserkreislauf somit schließt.

Anfänge der Wasserversorgung (bis Mitte 19. Jahrhundert)
Bis ins 19. Jahrhundert war Berlin auf Brunnen und die Spree angewiesen. Wasser wurde per Hand geschöpft, Abwasser floss ungeklärt in die Straßen oder gleich direkt in die Spree. Die hygienischen Zustände waren katastrophal – Krankheiten wie Cholera waren häufig.
Erstes Wasserwerk und moderne Infrastruktur (ab 1856)
1856 wurde das erste Wasserwerk am Stralauer Tor errichtet und versorgte einen Teil der Stadt mit Wasser aus der Spree. In den folgenden Jahrzehnten entstanden weitere Wasserwerke, z. B. am Tegeler See (1877) und am Müggelsee (1893).
Gründung der Berliner Wasserbetriebe und Zentralisierung (1920–1924)
Mit der Gründung von „Groß-Berlin“ 1920 wurden die mittlerweile 21 Wasserwerke und zahlreiche Abwasseranlagen zu einem einheitlichen System zusammengeführt. 1924 entstanden die Berliner Wasserbetriebe, damals noch unter dem Namen Berliner Städtische Wasserwerke AG, die alle Wasserwerke der Stadt zentral verwalteten. Die technische Vereinheitlichung und Vernetzung der Infrastruktur war ein Meilenstein für die Versorgungssicherheit der deutschen Hauptstadt.
Nachkriegszeit und Modernisierung (1945–1990)
Nach dem Zweiten Weltkrieg lagen große Teile Berlin in Trümmern und auch die zerstörte Infrastruktur musste zunächst wieder aufgebaut werden. In der geteilten Stadt entwickelten sich zwei getrennte Wassersysteme in Ost- und West-Berlin, di unabhängig voneinander betrieben wurden.
Wiedervereinigung und heutige Struktur (ab 1990)
Nach der Wiedervereinigung wurden die getrennten Systeme zusammengeführt und die Berliner Wasserbetriebe übernahmen die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. Sie versorgen rund 3,8 Millionen Menschen mit Trinkwasser und betreiben neun Wasserwerke sowie ein weit verzweigtes Rohrleitungsnetz.
Die Berliner Wasserversorgung blickt auf eine über 160-jährige Geschichte zurück. Zwar sind die Rohrleitungen und Wasserwerke nicht ganz so alt, jedoch stammt ein Großteil der Berliner Wasserinfrastruktur dem frühen 20. Jahrhundert. Viele Leitungen und Anlagen sind deshalb sanierungsbedürftig. Denn auf Grund des hohen Alters kann es vorkommen, dass eine Wasserleitung plötzlich ihren Dienst versagt. Für die Berliner Wasserbetriebe heißt es dann schnell handeln. In der Silvesternacht 2024 etwa sorgte ein Rohrschaden an einer fast 100 Jahre alten Leitung, der zu einem Ausfall der Trinkwasserversorgung in mehreren Stadteilen führte, für größeres Aufsehen. Umgehend wurde mit der Reparatur begonnen, und bereits nach zwei Stunden floss in den meisten betroffenen Gebieten wieder das Wasser durch die Leitungen.
Steigende Einwohnerzahlen erfordern Stärkung der Infrastruktur
Damit dieses komplexe System reibungslos und zuverlässig funktioniert, sind kontinuierliche Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen notwendig. Dies ist ebenfalls notwendig, weil die Berliner Wasserbetriebe damit rechnen, dass der Wasserverbrauch in der Stadt zukünftig weiter ansteigen wird. Denn Berlins Einwohnerzahl wächst und nähert sich der Marke von vier Millionen. Es gilt also, die Netze und Anlagen laufend zu ertüchtigten und fit für die Zukunft zu machen. Dies ist eine der größten Herausforderungen, vor denen die Berliner Wasserbetriebe stehen. Denn es ist ein langer Weg, da man die Infrastruktur nicht auf einen Schlag erneuern kann. "Arbeiten am Leitungsnetz sind vergleichbar mit einer Operation am offenen Herzen. Denn schließlich muss die Trinkwasserversorgung auch währenddessen rund um die Uhr funktionieren", erklärt Dr. Gesche Grützmacher, Technische Vorständin der Berliner Wasserbetriebe.

Eine zuverlässige Infrastruktur ist das eine. Das andere sind die verfügbaren Wasserressourcen. Denn obwohl Berlin von Spree, Havel und zahlreichen Seen durchzogen ist, zählt die Region zu den wasserärmsten Deutschlands. Berlin muss mit vergleichsweise wenig Wasser auskommen – und das bei wachsender Bevölkerung und steigendem Bedarf. Das nutzbare Wasserdargebot ist stark abhängig von der Grundwasserneubildung, die wiederum durch den Klimawandel unter Druck gerät. “Längere Trockenperioden, heiße Sommer und weniger Niederschlag setzen dem Wasserkreislauf zu. Die Grundwasserneubildung nimmt ab, während gleichzeitig der Wasserbedarf steigt. Und dieses Problem könnte sich durch den geplanten Kohleausstieg zusätzlich verstärken”, so Dr. Gesche Grützmacher.

Auf den ersten Blick erschließt sich nicht direkt, was der Braunkohleabbau in der Lausitz mit der Wasserversorgung in Berlin zu tun hat. Doch die Spree ist hier das verbindende Element. Auf ihrem Weg nach Berlin fließt sie durch die Kohlereviere im Südosten Brandenburgs und im Nordosten Sachsens. Um die Braunkohle aus den Gruben abbauen zu können, wird dort Grundwasser abgepumpt. Dieses abgepumpte Grundwasser, das Sümpfungswasser, wird in die Spree eingeleitet und stellt an heißen Sommertagen einen wesentlichen Teil des Flusswassers. In Cottbus sind es etwa an heißen Sommertagen sogar rund 75 % des Flusswassers, die aus dem Braunkohletagebau stammen, wie das Umweltbundesamt in einer Studie untersucht hat. Das sich abzeichnende Ende des Braunkohleabbaus in Deutschland und die Flutung ehemaliger Tagebaue bilden ein ernstzunehmendes Problem für die Spree, die schließlich der wichtigste Wasserlieferant Berlins ist.
"Wir müssen versuchen, mit dem Schwammstadt-Konzept das Regenwasser in Berlin zu halten, um den natürlichen Wasserkreislauf zu stärken."
Dr. Gesche Grützmacher, Technische Vorständin der Berliner Wasserbetriebe

Angesichts der zunehmenden Herausforderungen durch den Klimawandel und der begrenzten Wasserressourcen setzen die Berliner Wasserbetriebe auf innovative Konzepte wie die "Schwammstadt Berlin". Dessen Ziel ist es, Regenwasser nicht einfach über die Kanalisation abzuleiten, sondern es dort zu speichern, wo es fällt – etwa in Grünflächen, Mulden, Teichen oder unterirdischen Speichern. So versickert das Wasser langsam in den Boden und trägt zur Grundwasserneubildung bei. Gleichzeitig wird die Kanalisation bei Starkregen entlastet und das Stadtklima verbessert.
Die Schwammstadt ist damit ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige und klimaresiliente Stadtentwicklung. Sie verbindet technische Innovation mit ökologischer Verantwortung und zeigt, wie urbane Räume aktiv zur Stabilisierung des Wasserkreislaufs beitragen können. Für Berlin bedeutet das: mehr Lebensqualität, mehr Sicherheit bei Extremwetter – und ein verantwortungsvoller Umgang mit einer der kostbarsten Ressourcen: Wasser.