24. September 2025
Die Versorgungssicherheit mit bezahlbarer Energie für Wirtschaftsunternehmen und Privathaushalte wird zum entscheidenden Faktor für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, nehmen Wasserstoff und Biomethan eine zentrale Rolle bei der Energiewende ein. Erdgas als Brücken-Energieträger wird bis zum Verzicht von anderen fossilen Brennstoffen mit einer schlechteren Klimabilanz stärker als bisher in den Fokus der Planungen rücken müssen. Vorausschauender Wasserschutz sowie insbesondere der Erhalt und Ausbau einer resilienten Wasserinfrastruktur in Zeiten des Klimawandels sind Grundvoraussetzungen für eine nachhaltige Wasserwirtschaft. Zu diesen Einschätzungen kommt der DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. bei seiner Jahrestagung. Der DVGW Kongress ist die Leitveranstaltung der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft.
„Der DVGW steht ohne Einschränkungen zu seiner bisherigen Position, Deutschland so schnell wie möglich klimaneutral zu gestalten. Klar ist aber auch, dass dies nur gelingen wird, wenn Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit in einen realistischen Einklang gebracht werden. Erdgas wird daher als molekularer Energieträger mittelfristig unverzichtbar bleiben, bis ausreichende und bezahlbare Mengen an grünem und anfangs auch kohlenstoffarmem blauem oder türkisem Wasserstoff verfügbar sind. Angesichts der enormen wirtschaftlichen Herausforderungen für unser Land ist es eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung, Risiken zu minimieren, die zu weiteren Belastungen für die Menschen und Unternehmen führen könnten“, sagt Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des DVGW bei einer Presseveranstaltung am Rande des Kongresses.
Energiewende-Monitoring des BMWE
Die im Energiewende-Monitoring des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) vorgenommene Bestandsaufnahme und Überprüfung der Maßnahmen stellen aus Sicht des DVGW einen sinnvollen Schritt dar. Das Monitoring ist keineswegs ein Abgesang auf die Klimaziele oder ein Alibi zur Verlangsamung der Transformation der Energiewirtschaft. Es markiert vielmehr den Beginn eines konsequenten Kurswechsels in der Energiepolitik: weg von zu kleinteiligen Vorgaben an einer Stelle und Regelungslücken an anderer Stelle, hin zu einer praxisorientierten, technologieoffenen Betrachtung des Transformationspfades der Energiewirtschaft. Nach Einschätzung des DVGW dürfen sich gerade im Wärmemarkt nicht jene Fehler wiederholen, die in anderen Bereichen – etwa dem Mobilitätssektor – begangen wurden. Wesentlich für ein Gelingen der von Wasserstoff getragenen Energiewende sind vor allem die Themen Planungs- und Kostensicherheit – sowohl für die Unternehmen als auch die Verbraucher.
Bedeutung von Wasserstoff
Dass Wasserstoff in den untersuchten Szenarien des BMWE ein unverzichtbares Element für die Erreichung der Klimaziele darstellt, wird vom DVGW ebenso positiv bewertet, wie die Berücksichtigung von Wasserstoff in allen Farben mit der umfangreichen Empfehlung zur Umsetzung, Förderung und Finanzierung – vom Import über das Kernnetz, Kraftwerke (H2-ready), Elektrolyseure und Speicher. „Die politische Entscheidung, Gaskraftwerke zur Sicherung der Energieversorgung zu bauen, ist vor dem Hintergrund des Ausstiegs aus der Kohleverstromung unerlässlich. Denn mit dem Wegfall der Kohle stehen im Vergleich zu heute im Jahr 2030 rund 23 Gigawatt an grundlastfähiger Stromerzeugung weniger zur Verfügung.
Verteilnetze und Wärmemarkt
Zudem spricht sich der DVGW-Chef für eine verstärkte Betrachtung des Wärmemarktes aus und fokussiert die Notwendigkeit von Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK): „Durch den Kohleausstieg entfallen gleichzeitig erhebliche Kapazitäten an kohlebefeuerten KWK-Anlagen, die zur Erzeugung von Fernwärme eingesetzt werden. Die geplante Ausweitung der Kraftwerkskapazitäten im Koalitionsvertrag auf 20 Gigawatt (GW) bis zum Jahr 2030 ist daher ein richtiger und zugleich dringlicher Schritt.“ Der Weiterbetrieb und Aufbau von neuen KWK-Anlagen sind auch zur Entlastung des Stromnetzes von entscheidender Bedeutung. So zeigt eine Analyse der DVGW-Forschungsstelle DBI Gas- und Umwelttechnik, dass lediglich 14 Prozent der betrachteten KWK-Anlagen am H2-Kernnetz liegen. Dem Verteilnetz kommt daher eine bedeutende Rolle bei der Versorgung zu – sowohl aktuell mit Erdgas als auch zukünftig mit Wasserstoff.
Konsequente Maßnahmen gegen Stoffeinträge in die Gewässer
Die öffentliche Wasserversorgung in Deutschland steht seit Jahren zunehmend unter dem Einfluss klimatischer Veränderungen. Extremwetterereignisse, langanhaltende Trockenphasen, steigende Temperaturen und veränderte Niederschlagsmuster wirken sich immer stärker auf die Verfügbarkeit und die Qualität der Wasserressourcen aus. Der DVGW-Vorstand Wasser Dr. Wolf Merkel warnt vor den Folgen und fordert entschlossenes Handeln: „Ein wirksamer Schutz der Wasserressourcen hat höchste Priorität. Dazu gehört, dass die Nitrat-Belastung durch Dünge- und Pflanzenschutzmittel auf landwirtschaftlich genutzten Flächen verringert wird. Das Streichen der Stoffstrombilanz-Verordnung hinterlässt eine Lücke im Gewässerschutz. Wenn umweltbewusst handelnde landwirtschaftliche Betriebe für ihre Arbeit nicht honoriert werden, wird ein ambitionierter Gewässerschutz untergraben. Die Wasserversorgung benötigt dringend wirkungsvolle Werkzeuge zur Minderung der Nährstoffeinträge.“
Neben Nitrat bereiten auch sogenannte PFAS – per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen – zunehmend Sorgen. Die langlebigen Industriechemikalien sind inzwischen weit verbreitet und können lokal auch Trinkwasserressourcen belasten. „Ihre Konzentrationen werden in den kommenden Jahren voraussichtlich steigen. Die Wasserversorgung müsste dann aufwändige und teure Aufbereitungsverfahren einsetzen, um gesetzliche Grenzwerte einzuhalten“, warnt Merkel. Der DVGW fordert daher ein differenziertes Vorgehen: „Für toxikologisch relevante PFAS brauchen wir Verbote. Gleichzeitig müssen Ersatzstoffe entwickelt und die Hersteller stärker in die Verantwortung genommen werden – auch finanziell. Wer Schadstoffe in Umlauf bringt, muss auch für deren Beseitigung zahlen.“
Klimawandel erfordert resiliente Strukturen
Die Auswirkungen des Klimawandels treffen die Wasserversorgung nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ. Längere Trockenperioden und Extremwetterereignisse stellen die Infrastruktur vor neue Herausforderungen. Der erstmals erhobene Klimaresilienz-Index Wasser des DVGW liefert ein differenziertes Bild über die Widerstandsfähigkeit der Branche gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels. Danach liegt die Robustheit sowie der Anpassungsgrad der Versorgungsunternehmen im mittleren bis hohen Bereich – doch es gibt Schwachstellen. „Das heißt aber nicht, dass man von einer soliden Ausgangslage sprechen kann. Denn einzelne Bereiche stehen deutlich unter Druck,“ mahnt Wolf Merkel.
Besonders kritisch bewertet werden die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Handlungsfähigkeit der Unternehmen sowie das zukünftig erwartete Risikopotenzial. „Diese Felder weisen auf strukturelle Defizite hin, die nicht allein durch technische Maßnahmen, sondern vor allem durch politische, administrative und finanzielle Reformen adressiert werden müssen. Viele Wasserversorgungsunternehmen ergreifen zwar bereits Anpassungsmaßnahmen, werden jedoch häufig durch fehlende Ressourcen, komplexe Genehmigungsverfahren und mangelnde Koordination ausgebremst,“ erläutert Merkel.
Für Politik, Verwaltung und Praxis ergibt sich daraus aus Sicht des DVGW ein klarer Handlungsauftrag: Die Resilienz der öffentlichen Wasserversorgung muss systematisch gestärkt werden – durch Investitionen, Vereinfachung von Verfahren, bessere Koordination und eine vorausschauende Planung. Nur so kann die Versorgungssicherheit auch unter den Bedingungen des Klimawandels dauerhaft gewährleistet werden. „Nur wenn wir heute handeln, können wir die Trinkwasserversorgung auch morgen sichern,“ betont Merkel.